Ole und das Eichhörnchen

Oles kleine Hand ist warm und trocken. Sicher liegt sie in der großen von Mama, als die beiden mit immer kleineren Schritten auf das hohe Gittertor zugehen. Mama seufzt. Als Ole zu ihr hochguckt sieht er einen kleinen Kummer in ihren Augen. Aber mit dem Mund lächelt Mama. Der Kummer in Mamas Augen ist der selbe Kummer, den auch er hat. Er zieht und zuppelt und rumpelt im Bauch und in den Beinen, der Kummer. Denn Ole will nicht in den Kindergarten.

Dennoch stapft er tapfer weiter, denn Mama hält ihn fest, ganz fest. Und dann muss es doch irgendwie gut werden. Wenn Mama da ist, hat Ole keine Angst vor Pit, der ist viel stärker ist und zwei große Brüder hat. Wenn Mama da ist, dann lacht er und wirft sich mit Karacho in das schöne Holzauto, das vor dem Spielzimmer steht. Dann dreht Ole am Lenker und knallt die Schalthebel rein, kräht „Tuuuutuut“ und gluckert „Brummm Burummmbrummmmm“.

Doch als Mama ihren blauen Beutel über die Schultern wirft und sich zu ihm herunterbeugt weiß Ole schon ganz genau, was gleich kommt. Mama sagt, sie kommt bald wieder und gibt ihm einen kleinen zarten Nasenkuss. Ganz nah ist er ihren Augen dabei und er sieht genau, dass Mamas grüne Augen nass glänzen wie zwei Pfützen. Und dann ist sie draußen vor der Glasscheibe wirft einen letzten Handkuss in die Luft und Ole ist allein.

Allein mit den anderen Kindern und den Tanten, die eine dick und gemütlich, die andere lustig und flink. Und allein mit Pit. Spielen soll er und nachher Mittag essen. Hände waschen nicht vergessen. Ole weiß nicht, wie er den Vormittag aushalten soll. Mit einem ganz großen Klumpen im Bauch stellt er sich auf das Bänkchen am Fenster und schaut hinaus.

Schaut hinüber zur großen Kastanie, die ihre Äste über den Zaun streckt. Sieht die stacheligen Früchte und weiß, dass in ihnen glänzende Kugeln mit wunderschönen Mustern verborgen sind. Seine Hand tastet in die Hosentasche. Da ist sie, seine Kastanie. Mama hat sie hineingesteckt und gesagt, er soll sie ansehen, wenn er traurig ist. Und so steht Ole da mit der Kastanie in der kleinen Hand und ist traurig.

Auf einmal wackeln die Äste der Kastanie draußen. Ein Eichhörnchen klettert flink bis ganz zum Ende des Astes und schwingt sich über den Zaun in den Kindergarten. Mit winzigen Trippelschritten wetzt es zum Sandkasten und buddelt ein Loch und tut etwas Kleines hinein. „Da“ ruft Ole laut und zeigt aufgeregt mit dem Finger nach draußen. Doch die anderen sind viel zu beschäftigt um auf ihn zu achten. Doch das Eichhörnchen hebt den Kopf mit den Puschelohren und schaut Ole an. Genau ihn. Und dann zwinkert es ihm mit den schwarzen Knopfaugen zu. Ole sieht es ganz genau. Vor Aufregung drückt er seine Kastanie fest. Nachher, wenn Mama ihn abholen kommt, wird er mit ihr nachsehen, was das Eichhörnchen wohl dort für ihn versteckt hat.

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